Analytisches Denken und die Unfähigkeit Zusammenhänge zu erkennen

Wie man durch fortwährende Spezializierung ein Unternehmen ruiniert

26.08.2012, Von Stephan Schwab

Von klein auf lehrt man uns jedes beliebige Problem zu zerlegen, um so die Komplexität zu reduzieren und dann leichter die identifizierten Teilprobleme zu verstehen und eine Lösung finden zu können. Wenn es dann darum geht einen komplexe Sachverhalt zu verstehen, setzen wir, basierend auf unserem tiefem Verständnis aller Details der Teile, diese wieder zusammen und glauben das neue Ganze dann zu verstehen.

Leider verstehen wir lediglich das mechanistische Zusammenwirken der Teile untereinander. Im Falle eines Unternehmens verstehen wir die Aufgaben von Einkauf, Verkauf, Verwaltung, Geschäftsleitung usw. Darauf aufbauend suchen wir dann den optimalen Spezialisten für z.B. den Einkauf, der langjährige Erfahrung im Verhandeln optimaler Preise hat und den Lieferanten so richtig an die Wand drücken kann. Schließlich wird Geld im Einkauf verdient. Je günstiger ich einkaufe, desto mehr Marge wird mir bleiben. Das ist logisch und richtig.

Im 18. Jahrhundert erlang Jacques de Vaucanson Bekanntheit durch den Bau vielfältiger Automaten. Darunter waren ein Flötenspieler und wie überliefert wird war es wohl de Vaucansons Traum einmal einen akkurat funktionierenden künstlichen Menschen herzustellen. Als sein Meisterwerk gilt die mechanische Ente, welche aus über 400 Teilen zusammengesetzt war. Die Ente konnte mit den Flügeln flattern, schnattern, Wasser trinken und sogar gereichte Körner verdauen und in naturgetreuer Konsistenz ausscheiden.

Mechanische Ente von Jacques de Vaucanson

Ob wohl eine solche Konstruktion, akkurat bis in jedes Detail, hilft ein komplexes System wie ein Lebewesen zu verstehen?

Holistisches Denken basiert auf der Wahrnehmung der Beziehung zwischen einem Objekt und dem Kontext, während beim analytischen Denken der Kontext eher ignoriert wird. Betrachtet man einen Verkehrsunfall holistisch, so nimmt man die allgemeine Verkehrssituation, den übermüdeten Fahrer des einen Wagens und den anderen Fahrer, der wegen des eine halbe Stunde zurückliegenden Krachs mit seiner Freundin aufgebracht ist, wahr. Nach dem Streit will der eine einfach nur so schnell wie möglich woanders hin. Der müde Fahrer fährt vermutlich wegen seiner Müdigkeit eher langsam.

Holistisch betrachtet ist die Unfallursache die Kombination aus einem eingeschränkt fahrtüchtigen und einem geistig abgelenkten Fahrer. Analytisch betrachtet mag man als Ursache für den Unfall überhöhte Geschwindigkeit feststellen und dann natürlich als Präventivmaßnahme die erlaubte Geschwindigkeit reduzieren oder stärker an der ehemaligen Unfallstelle kontrollieren.

Spezialisten und Experten

Ein aus lauter Spezialisten und Experten im jeweiligen Fachgebiet zusammengesetztes Unternehmen wird den knallharten Einkäufer und den gewieften Verkäufer zu seinen Mitarbeitern zählen. Die beiden sorgen durch ihre Erfahrung dafür, daß besonders günstig eingekauft und zu guten Preisen verkauft wird. Daraus resuliert eine tolle Marge und die Gesellschafter des Unternehmens freut das.

Doch wie lange wird das gutgehen? Analytisches Denken liefert dazu nur die Antwort, daß das eben so sein müsse und halt Markt so funktioniere. Holistisches Denken führt uns zur Betrachtung des Kontexts, und der Wechselbeziehungen zwischen Unternehmen, Lieferanten und Kunden.

Alles richtig machen und doch pleite gehen

Ein fortwährend zu Niedrigpreisen gepreßter Lieferant wird seinerseits versuchen seine zum eigenen Überleben notwendige Marge zu retten. Also wird er versuchen das geforderte Produkt billiger herzustellen. Das geht dann zu Lasten der Qualität. Die schrittweise Reduzierung der Qualität bemerken dann irgendwann die Kunden des seine Lieferanten bedrängenden Unternehmens. Wenn die irgendwann nicht mehr damit zufrieden sind, wandern diese ab und damit sind dann die ganzen Mühen des Einkäufers und Verkäufers nicht nur wertlos geworden, sondern sie können sogar das eigene Unternehmen an den Rand des Ruins gebracht haben.

Lokale Optimierung

Was dem Einkäufer und Verkäufer passiert, bezeichnet man als lokale Optimierung. Es ist logisch die besten Preise im Einkauf zu erzielen. Aber man darf dabei nicht so weit gehen, daß man den Bogen überspannt. Darin besteht das Risiko der lokalen Optimierung. Nur kann dies nur jemand erkennen, der die Zusammenhänge verstehen kann. Jemand, der außerhalb der üblichen Boxen denkt und im Beispiel ist eine dieser Boxen das eigene Unternehmen.

Eine Umgebung für Generalisten schaffen

Die am langfristigen Bestand des Unternehmens interessierte Geschäftsleitung sollte ihre Aufgabe darin sehen innerhalb des Unternehmens eine Umgebung zu schaffen, die holistisches Denken fördert und Überspezialisierung einschränkt. Erreicht werden kann dies durch genügend Generalisten unter den Mitarbeitern. Statt bei Neueinstellungen auf eine möglichst gute Übereinstimmung zwischen dem bisherigen Lebenslauf des Bewerbers mit der Anforderungsliste in der Stellenausschreibung zu achten, sollten Querdenker mit eher durchwachsenem Lebenslauf berücksichtigt werden. Je breiter seine Erfahrungen bisher waren, desto eher kann so jemand holistisch denken und die Verbindungen zwischen den Boxen (Abteilungen, Arbeitsgruppen, Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Markt, usw.) herstellen.


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